11.09.2013

Die nachfolgende Geschichte ist kein Märchen, sondern eine wahre Begebenheit und sollte jedem von Ihnen Anlass geben, seine Vorgehensweise zum Thema Mirenaeinlage noch einmal zu überprüfen. Eigentlich sind die Dinge ganz einfach. Wenn es allerdings so läuft wie in dem Beispielfall, dann liegen die Fehler und Versäumnisse eindeutig auf der Seite der Praxis. 

Short Story

Eine Mirenaeinlage mit unglücklichem Ausgang -  Kein Märchen, sondern eine wahre Begebenheit

Es war einmal eine Patientin, die war schon viele Jahre lang bei ihrer Frauenärztin in Behandlung und weil sie immer sehr zufrieden war, kam sie auch immer wieder in diese Praxis zurück. Die Patientin litt seit vielen Jahren an zu starken Menstruationsblutungen, was auch im Sinne einer Hypermenorrhoe so in der Patientenakte vermerkt worden war. Schließlich wurde die Patientin von ihrer Frauenärztin zum Thema Mirena ausführlich beraten. Dabei wurde auch die Kostenfrage diskutiert. Wegen der Kosten hatte die Patientin bei ihrer Krankenkasse XY angefragt, ob diese bereit wäre, die Kosten für die Hormonspirale zur Behandlung einer Hypermenorrhoe zu übernehmen. Nach Aussagen der Patientin bestätigte die Versicherung XY die Kostenübernahme für die Mirena. 

Nach entsprechender ausführlicher Aufklärung wurde dann am 23.07.2012 die Mirena bei der Patientin durch ihre Frauenärztin komplikationslos eingelegt. Anschließend erhielt die Patientin von ihrer Frauenärztin eine Privatliquidation in Höhe von 360,- €. Auf dem Rechnungsformular war noch folgender Text formuliert: „Es ist mir bekannt, dass die Krankenkasse, bei der ich versichert bin, eine im Sinne des Gesetzes ausreichende Behandlung gewährt und vertraglich sichergestellt hat. Ich wünsche dennoch die oben angeführten Leistungen. Ich weiß, dass die Behandlung nicht erstattungsfähig ist und dass der oben vermerkte Betrag von mir selbst zu tragen ist. Ich weise darauf hin, dass durch die Entfernung der Spirale sowie durch sonographische Lagekontrollen zusätzliche Kosten für Sie entstehen.“ Diese Rechnung einschließlich Begleittext wurde von der Patientin schriftlich bestätigt und der Rechnungsbetrag auch von der Patientin bezahlt. 

Bei der Patientin traten in der Folgezeit keine mit der Mirenaeinlage zusammenhängende Beschwerden auf. Am 25.11.2012 erhielt die Frauenärztin von ihrer Versicherten ein Schreiben mit folgendem Text:
„ Kostenübernahme Hormonspirale Mirena.
Am 23.07.2012 wurde mir in Ihrer Praxis die Hormonspirale Mirena eingelegt. Ich legte Ihnen im Vorfeld die E-Mail meiner Krankenkasse XY vom 23.07.2012 vor, in welcher die Kostenübernahme der Hormonspirale zur Behandlung meiner Hypermenorrhoe auf Versichertenkarte bestätigt wird. Trotzdem wurde mir von Ihnen eine Privatrechnung ausgestellt und der Betrag von mir bar in der Praxis bezahlt. Nach Einreichung der Rechnung bei der Krankenkasse XY wurde mir von dieser die Kostenübernahme (siehe beiliegendes Schreiben) abgelehnt.
(Zitat aus dem Schreiben der Krankenkasse XY: Das Arzneimittel MIRENA Intrauterinpessar kann bei vorliegender Indikation Hypermenorrhoe auf Kassenrezept verordnet und abgerechnet werden. Warum dennoch eine Privatrechnung ausgestellt wurde ist nicht verständlich. Eine Kostenerstattung der Privatrechnung ist somit nicht möglich) Bei Ausstellung Ihrer Privatrechnung kann es sich daher nur um ein Missverständnis handeln. Ich bitte daher um Rückerstattung auf mein Konto XY.“ 

Daraufhin formulierte die Frauenärztin am 27.11.2013 folgendes Schreiben an die Patientin:
„Sehr verehrte Patientin, wie mit Ihnen mehrfach telefonisch und persönlich besprochen, wird die Mirenaeinlage bei mir immer nur auf Privatrechnung abgerechnet.
Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass Sie sich vor der Einlage um eine Kostenübernahme der Privatrechnung durch Ihre Krankenkasse bemühen müssen und Sie sich das schriftlich geben lassen sollten. Dass die Kasse den Betrag nun doch nicht übernimmt, tut mir leid. Eine Abrechnung auf Krankenkasse führe ich grundsätzlich nicht durch und ist rückwirkend auch nicht mehr möglich. Einer Kostenerstattung durch mich kann ich nicht zustimmen. Mit freundlichen Grüßen.“ 

Am 2.8.2013 erreichte die Frauenärztin folgendes Schreiben einer Rechtsanwaltskanzlei:
„Sehr geehrte Frauenärztin, im Auftrag meiner Patientin darf ich folgendes ausführen: Meine Mandantin hat mir Ihre Honorarrechnung vom 23.07.2012 vorgelegt. Sie sind Kassenärztin, die entsprechende Leistung ist eine Kassenleistung. Die entsprechende Honorarrechnung ist daher verbotswidrig erteilt, sie verstößt gegen ein gesetzliches Verbot. Ich gehe daher davon aus, dass Sie den erhaltenen Betrag in Höhe von 360,00 € bis längstens 15.08.2013 zu meinen Händen übersenden. Zum Geldempfang bin ich bevollmächtigt. Gleichzeitig müssen Sie die Kosten für meine Inanspruchnahme bezahlen. Die entsprechende Kostenrechnung liegt ebenfalls an.“
Die Rechtsanwaltskosten betrugen 83,54 €. 

Nach ausführlicher Erörterung des gesamten Themenkomplexes hat sich unsere Frauenärztin inzwischen dazu entschieden, die 360,00 € an die Patientin zurückzuerstatten. Zusätzlich hat sie auch die Rechtsanwaltskosten beglichen.

Was lernen wir daraus?
Die beiden Begriffe Mirena und Hypermenorrhoe passen einfach nicht zusammen. Mirena hat eine eindeutige Zulassung für die Indikation Hypermenorrhoe und ist dann bei vorliegen einer derartigen Indikation selbstverständlich eine Kassenleistung, d.h. die Mirena muss über ein GKV-Rezept rezeptiert werden und muss dann nach GOP 08330 für 6,54 € zu Lasten der GKV eingelegt werden. 

Bei Verwendung einer Indikation, was aus Gründen zur Vermeidung von Mehrwertsteuer ohnehin sinnvoll erscheint, sind klassische Indikationen für das Einlegen einer Mirena auch: Menorrhagie, Metrorrhagie, Dysmenorrhoe.

Sollten Sie zu diesen meinen Ausführungen zusätzliche Fragen haben, dann können Sie sich selbstverständlich jederzeit an mich wenden.


   

Redaktion
Medical Tribune
z.H. Herrn Ahlgrimm
Postfach 42 40

65032 Wiesbaden

Schechen, 5. Dezember 2011

Leserbrief

Medical Tribune Nr. 41, 14. Oktober 2011
EBM-Nr. 01850 nur vor Sterilisation?

Sehr geehrter Herr Ahlgrimm,

in der o. g. Ausgabe erschien in der Rubrik Praxisführung und Geld ein Kommentar von dem von mir sehr geschätzten Rechtsanwalt Maximilian Broglie zur Anfrage eines Kollegen aus Braunschweig (KV Niedersachsen).

Nach Angaben des Kollegen, Dr. Ulf Penner, würde die KV die GOP-Nr. 01850 immer wieder streichen, weil sie nach deren Meinung ausschließlich vor einer Sterilisation angewendet werden könnte. Herr Broglie äußerte sich dahingehend, dass er der Kassenärztlichen Vereinigung für deren Vorgehensweise Recht gab. Er begründete es damit, dass die GOP 01850 nur dann abrechenbar sei, wenn eine Sterilisation zumindest ernsthaft in Betracht gezogen werden würde.

Hier irren sowohl die KV (vermutlich Bezirksstelle Braunschweig) wie auch Herr Broglie.

Der anfragende Kollege, Dr. Ulf Penner, irrt zunächst in sofern, wenn er unter der GOP 01850 primär zu alternativer Empfängnisverhütung berät, bzw. Beratungen z. B. bei Pillenunverträglichkeit nach dieser Ziffer abrechnet. Ebenso irrt die Bezirksstelle Braunschweig der KV Niedersachsen, wenn sie behauptet, dass diese Ziffer ausschließlich vor einer Sterilisation angewendet werden kann. Letzteres hieße ja, dass der richtige Ansatz der GOP 01850 nur dann gerechtfertigt sei, wenn auch tatsächlich anschließend in zeitlichem Zusammenhang die die GOP 01855 für eine durchgeführte Sterilisation gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durchgeführt und abgerechnet worden wäre. Wie soll das gehen?

Die GOP 01850 ist ausschließlich eine Beratungsziffer, die als obligaten Leistungsbestandteil die Beratung über eine Sterilisation zum Inhalt hat. Dafür kommen vorwiegend zwei Patientinnengruppen in Frage. Es ist einmal die Gruppe der schwangeren Patientinnen, die als Mehrgebärende meist gegen Ende der Schwangerschaft schon von sich aus in der Regel das Gespräch mit ihrem behandelnden Frauenarzt suchen, ob es denn nicht sinnvoll sein könnte, da nun die Familienplanung an sich als abgeschlossen gilt, eine Sterilisation nach der Entbindung durchführen zu lassen. Es ist zum anderen die Gruppe von Patientinnen jenseits des 40. Lebensjahres, die ebenfalls bei abgeschlossener Familienplanung sich durchaus berechtigt und nachvollziehbar über eine Sterilisation nach GOP 01850 beraten lassen. Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass eine Beratung grundsätzlich zuerst einmal ergebnisoffen durchgeführt wird. Soll heißen, der Leistungsinhalt der GOP 01850 wurde vollständig erbracht. Dennoch kann es sein, dass sich die beratene Patientin im Nachhinein anders entscheidet. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Abrechnungsstatistik der KV Niedersachsen, Bezirksstelle Braunschweig für das 2. Quartal 2011 zu werfen. Danach wurde von ca. 680 abrechnenden Gynäkologischen Praxen die GOP 01850 von 393 Gynäkologischen Praxen zur Abrechnung gebracht, bei einer Frequenzhäufigkeit von 2,11%. Das heißt, in einer 1000-Scheine-Praxis wurden durchschnittlich 21 Patientinnen nach GOP 01850 zur Sterilisation beraten. Wie viele sich dann tatsächlich sowohl privat wie auch zu Lasten der GKV haben sterilisieren lassen, kann nicht beantwortet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. med. Helmut Klemm