IGEL       


Deutsches Ärzteblatt Redaktion
Abt. Leserbriefe
Ottostr. 12

50859 Köln

Schechen, 18.04.2011

Deutsches Ärzteblatt Jahrgang 108 / Heft 13 / 1. April 2011
Handlungsbedarf bei IGeL

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu o. g. redaktionellen Beitrag möchte ich wie folgt Stellung nehmen:

Wenn Herr Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in dem o.g. Artikel anführt, dass beispielsweise keine Leistungen als IGeL angeboten werden dürften, die eigentlich Kassenleistungen seien, so irrt er gewaltig. Bei der ganzen Diskussion wird immer übersehen, dass die eigentlichen Kriterien die vorhandene oder fehlende Indikationsstellung darstellen. Das wird besonders deutlich an den Beispielen der vaginalen Ultraschalluntersuchung bzw. einer Stuhluntersuchung auf okkultes Blut.

Ein unauffälliger gynäkologischer Tastbefund im Rahmen einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung lässt auch unter dem Gebot von § 12 SGB V keine nachfolgende vaginale Ultraschalluntersuchung zu. Welche veritable Aussagekraft, die alleinige Tastuntersuchung des weiblichen Genitale hat, das können besonders die Patientinnen bezeugen, bei denen, wohlgemerkt bei unauffälligem Tastbefund, eine vaginale Ultraschalluntersuchung nicht durchgeführt wurde und dadurch eine behandlungsbedürftige Krankheit übersehen wurde. Wollen aber sowohl Patientin wie auch behandelnder Arzt mehr subjektive Sicherheit am Ende der Diagnostikkette erhalten, dann führt kein Weg an der vaginalen Ultraschalluntersuchung vorbei. Aufgrund der Rahmenbedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung kann eine derartige Untersuchung dann nur, selbstverständlich unter Einhaltung aller vorgeschriebenen Formalitäten, als Individuelle Gesundheitsleistung durchgeführt werden. Selbstverständlich ist die selbe Ultraschalluntersuchung bei auffälligem Tastbefund immer, auch unter dem Diktat der RLV-Systematik, eine GKV-Leistung. Die vorhandene oder fehlende Indikation machen eben den Unterschied.

Seit mehr als 20 Jahren führe ich Seminare für Gynäkologische Praxen, unter anderem auch zum Thema Individuelle Gesundheitsleistungen durch. Bis heute habe ich nicht eine einzige Gynäkologische Praxis gefunden, die bei sich selbst oder ihrer Verwandtschaft oder ihren Angestellten eine Stuhluntersuchung auf okkultes Blut nach der Guajak-Methode (von der GKV bezahlter Test) durchgeführt hätte oder durchführen würden. Die Ursache dafür ist eindeutig: Welche(r) Ärztin/Arzt akzeptiert für sich selbst eine Sensivität die bestenfalls zwischen 30 und 40% liegt? Immunologische Tests erreichen dagegen immerhin eine Sensivität, die zwischen 70 und 75% liegt. Da der Gemeinsame Bundesausschuss seit Jahren sich nicht für immunologische Stuhltests aussprechen konnte, bleibt den Arztpraxen in Deutschland nur der Weg, den besseren Test als Individuelle Gesundheitsleistung anzubieten.

Fazit: Sinnvolle Individuelle Gesundheitsleistungen entlassen den Arzt aus der zwangsbudgetierten Medizin und erlauben ihm wieder die Medizin zu machen, von der er selbst überzeugt ist. Darüber hinaus wird aus einer von der GKV entmündigten Patientin eine eigenverantwortlich handelnde und selbst bestimmte Patientin.

Dr. Helmut Klemm
(Ehemaliger Vorsitzender der KBV-Vertreter-Versammlung)